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Channel: Matthias Kyburz
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Geglückter Saisonabschluss

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Mit dem Weltcupfinale in Italien ist die internationale Saison zu Ende gegangen. Die Wettkämpfe auf der «Pian del Cansiglio» waren ein wahrer OL-Leckerbissen. Rund um die grosse Zielwiese war paradiesisches OL-Gelände vorzufinden. Die Zielarena befand sich zweimal mitten auf der Hochebene. Warum die Zielarena aber nicht näher an den Waldrand versetzt wurde, verstand ich nie ganz. Vielleicht traute man den Zuschauern (leider waren es nur wenige, doch die Schweizerquote war hervorragend, vielen Dank dafür!) keinen langen Anmarschweg zur Zielarena zu und platzierte deshalb die Arena so nahe wie möglich beim offiziellen Parkplatz.
Im Vorfeld der Läufe wurden wir nach einem Restaurantbesuch gefragt, was wir denn vor hätten hier in Italien. Wir erklärtem dem liebenswürdigen Senior, dass am kommenden Wochenende in den Wäldern rund um Cansiglio das OL-Weltcupfinal stattfinden würde und wir uns auf die Läufe am Vorbereiten sind. Zu meinem Erstaunen wusste er von den Läufen Bescheid. Als wir ihn dann ermunterten, er solle doch Zuschauen kommen und gleich selbst mit Karte und Kompass in den Wald gehen, fand das Gespräch ein abruptes Ende. Er meinte nur, dass er sich selten mehr als 20 Meter von seinem geparkten Auto entfernen würde und zeigte mit seinem Finger auf den Fiat.

Bei den Bahndaten der Langdistanz wurde hingegen nicht gegeizt. Doch die 19 Kilometer lange Bahn war (fast) jeden Meter wert. Besonders im Mittelteil der Bahn war das Gelände turboschnell. Technisch stellte das Gelände in diesem Mittelteil keine grossen Schwierigkeiten dar, der Wald war wie geputzt.
Es gibt nicht oft, dass ich während einem Weltcuplauf unterwegs den Gedanken habe, dass ich richtig den Plausch habe. Bei diesem Lauf kam es bei mir mehrfach vor, dass ich ein Lächeln auf den Lippen hatte und dachte: «Das ist richtig geil, was ich hier mache!»
Ein Zuckerschlecken war der Lauf auf keinen Fall. Nach etwas mehr als 100 Minuten wartete die endlos wirkende Zielgerade auf mich. Die Muskeln verkrampften sich, es ging kaum mehr vorwärts. Wohl nur ein Läufer hatte noch richtig Power und pflügte die Wiese um. Kasper Fosser lief in seiner eigenen Liga und gewann das Langdistanzrennen mit mehr als 5 Minuten Vorsprung vor mir. Ich war damit «best of the rest!» und schob mich im Gesamtweltcup auf Rang zwei vor. Mit dem Sieg konnte Fosser den Vorsprung auf beinahe 80 Zähler im Gesamtweltcup vergrössern. Nur ein Sieg meinerseits und ein grober Patzer von Fosser hätte mir zum perfekten Saisonabschluss zwei Tage später noch helfen können. Der zweite Platz im Gesamtweltcup war alles andere im Trockenen und es bestand noch immer die Möglichkeit, dass ich vom Podest hätte fallen können.

Nach einem Ruhetag und zwei mundenden Gelati fand zum Abschluss der individuellen Weltcupsaison eine Mitteldistanz statt. Obwohl das Laufgelände nur einige hundert Meter vom Gelände der Langdistanz entfernt war, bot es eine komplett andere Charakteristik. Gut belaufbares Karstgelände mit einem interessanten Relief galt es zu meistern. Doch bevor es so weit war, musste ich mir meine Schuhe schnüren. Als ich die Schnürsenkel fest anzog, rissen die Nähte auf der einen Seite auf. Viel Material hatte ich am Vorstart nicht bei mir. Mit einer Pinzette versuchte ich folglich, ein Loch ins Obermaterial zu bohren, so dass ich den Schuhbändel wieder einfädeln konnte. Das Material erwies sich als sehr beständig und die Pinzette als zu stumpf. Ich versuchte es also mit einer kleinen Schere. Die Klingen verformten sich jedoch noch schneller als eine Kugel Glace bei 35 Grad. Also nahm ich wieder die Pinzette hervor und versuchte die Spitze durch das Obermaterial zu bohren. Lange war ich erfolglos. Einzig meine Hand begann durch den Druck zu schmerzen. Der Zufall wollte es, dass nach erneutem Murksen die Spitze der Pinzette abbrach und sich daraus ein noch schärferer Gegenstand bildete. Mit diesem gelang es mir schliesslich, ein Loch zu bohren und den Schnürsenkel neu einzufädeln. Zum Glück war ich nicht in Zeitnot. So musste ich keine Abstriche beim Aufwärmen hinnehmen. Nur eine Pinzette und eine kleine Schere musste ich Abschreiben. Dafür sass der Schuh ideal am Fuss, als ich mit dem Warm-up begann!

Beim Einlaufen sass mir die Langdistanz noch in den Knochen. Aus Erfahrung wusste ich, dass mich mein Gefühl täuschen konnte und ich forsch ans Werk gehen konnte und sollte. Vor einigen Jahren hätte mich ein solches Gefühl beim Einlaufen wohl noch mehr verunsichert. Ich buche es unter Erfahrung ab, dass ich die Geschichte mit dem Schuh und die schweren Beine beim Einlaufen in den Hintergrund befördern konnte.
Von Kopf bis Fuss war ich beim Start bereit! Ich mag nicht nervös und motiviert bis in die Zehenspitzen gewesen sein. Doch eine gewisse Spannung war vorhanden. Diese grosse Nervosität vor Weltcupläufen, die ich im jeweiligen Moment als sehr unangenehm empfinde, aber im Nachgang so sehr vermisse, spürte ich nach der erfolgreichen WM nicht mehr im gleichen Masse.

Aufs Resultat hatte das letzten Endes nur bedingt Einfluss. Mir glückte ein sehr gutes Rennen, welches ich auf Rang zwei beendete. Auch an diesem Tag lief Fosser eindeutig stärker und holte sich damit den Tagessieg und den Sieg im Gesamtweltcup. Mit dem zweiten Rang über die Mitteldistanz sicherte ich mir auch im Gesamtweltcup den 2. Rang. In meiner 10. Weltcupsaison beendete ich damit den Gesamtweltcup zum achten Mal auf dem Podest.

Damit war das Weltcupfinale aber noch nicht Geschichte. Zum Abschluss stand eine Sprintstaffel in Cortina d’Ampezzo auf dem Programm. Meine Sprinttechnik hatte ich seit der EM ähnlich gut gepflegt, wie im Sommer meine Tomaten auf dem Balkon. Das sollte alle nachdenklich stimmen, die meinen Balkon kennen, hatte aber noch nichts zu bedeuten für die Sprintstaffel.
Leider konnte ich aber die gute Ausgangslage meiner Teamkollegen nicht nutzen. Ich machte einige Fehler zu viel und musste andere Teams aufschliessen lassen. Im Ziel war ich enttäuscht über meine Leistung. Besonders machte mir zu schaffen, dass ich bei den Einzelläufen so tolle Leistungen zeigen konnte, bei der Staffel aber nicht auf meinem erhofften Niveau lief.
Trotz einigen nicht optimalen Abschnitten, klassierten wir uns mit Schweiz 1 auf dem Podest. Das zeugt eindrücklich vom hohen Potenzial dieses Teams. Spätestens an der WM in Dänemark im nächsten Jahr, soll dann Schweiz 1 mit vier Top-Läufen glänzen!


Mit diesem Lauf ging für mich die Saison 2021 zu Ende. Von Italien reiste ich direkt weiter nach Kroatien und dann noch nach Slowenien. Man kann es nennen, wie man will: Ob Strandurlaub, Aktivferien oder verschobene Flitterwochen, Sarina und ich genossen zwei tolle Wochen und konnten unsere Seelen nach einer intensiven Saison ein wenig baumeln lassen.

2021 war für mich eine sehr erfolgreiche Saison. Ich möchte mich herzlich bei allen bedanken, die einen Beitrag dazu geleistet haben! Bin ich erfolgreich unterwegs, ist am Ende mein Kopf in den Medien zu sehen und ihr, die im Hintergrund für mich am Werken seid, werdet oft nicht erwähnt. Doch meine Erfolge wäre ohne die grossartige Unterstützung von euch gar nicht möglich. Dabei hättet ihr es mehr als verdient, mit eurem schönsten Zahnpastalächeln gewürdigt zu werden 😉! In einem etwas persönlicheren Rahmen werde ich dies an der GV des Kyburz-Fanclubs am 3. Dezember natürlich nachholen.


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